Alleine die wunderschöne Stadt ist bereits eine Reise wert: Getrennt von ländlichen sowie touristenorientierten und ebenso wirtschaftsfördernden Stadtteilen, lässt sie den Besucher mehr als nur einen Blick auf ihre Vielseitigkeit erhaschen. Buntes Treiben neben ruhiger, sehr landwirtschaftlich orientierter Atmosphäre lädt gerne einmal zum Anhalten an schönen Punkten der Graffiti- Metropole ein, um sich ein schönes Foto als Andenken zu schießen oder auch das ein- oder andere Mitbringsel zu sichern. Die Rede ist von der wunderschönen Hauptstadt der Niederlande: Amsterdam. Oft besungen und gefeiert, macht die Stadt der Tulpen, Fahrräder und des “Gouda” ihrem bunten Ruf alle Ehre: Zahlreiche alte Gebäude, stark befahrene Straßen, Multikultur, soweit das Auge reicht und reges Treiben an allen Ecken. Eine Stadt, die sprichwörtlich niemals zu schlafen scheint.
Ziel der diesjährigen „Holland“- Reise war am 03. November 2016 jedoch die Heineken Music Hall im Südosten von Amsterdam. Hier fand in diesen Tagen eines der letzten Konzerte von Music- Legende Kenny Rogers statt. Der in Houston geborene Texaner mit der samtweichen Stimme, der sich mit nunmehr 22 Nummer- eins- Erfolgen und über 125 Millionen verkauften Tonträgern in den letzten rund 50 Jahren den wohlverdienten Titel eines der erfolgreichsten Sängers der Welt ersang. Als schillernde Gastsängerin neben dem „Gambler“ strahlte Linda Davis, ebenfalls eine Ikone im Bereich Country Music („Does he love you“ – bekanntes Duett mit Reba McEntire, „I´m Yours“, „Some things are meant to be“) in insgesamt vier verschiedenen Outfits. Sie verzauberte die Besucher der Heineken Music Hall mit ihrem sauberen, kraftvollen Countrytimbre, indem Sie gemeinsam mit Kenny Rogers bekannte Titel („We´ve got Tonight“, „You can´t make old friends“, „Daytime friends and nighttime lovers”) sowie beliebte Evergreens („You know I love you“) zum Besten gab. Die schöne Linda ist übrigens die Mutter von Hillary Scott, Sängerin der sehr angesagten Country- Pop Band „Lady Antebellum“, was den jüngeren Besuchern der Hall wahrscheinlich mehr sagte als der Name der bekannten Mutter, denn hier waren alle Altersgruppen vertreten. Doch allzu sehr möchte ich nicht vorgreifen.
Fangen wir ganz von vorne an…
Eine ganz besondere erwartungsvolle feierliche Spannung war zu vernehmen unter den rund 5000 Besuchern in den Säälen der Heineken Music Hall, Amsterdams beliebter Konzerthalle neben der Amsterdam Arena. Konstruiert wurde das Gebäude in den Jahren 1996 bis 2001, und ab kommendem Jahr wird es bedacht mit einem neuen Namen, welcher sich ab dem 01. Januar 2017 in die Bezeichnung AFAS Live ändern wird. Hier und da hörte man die verschiedensten Sprachen und Dialekte, denn eines ist klar: Um Kenny Rogers noch ein letztes Mal live zu erleben, scheuten Musikfreunde aus ganz Europa keine Kosten und Mühen, dem beliebten Entertainer die letzte Ehre im Form eines Besuches seiner Welttournee zu erweisen. Dementsprechend voll war die Halle, es wurden sehr viel Merchandisingartikel sowie Getränke und kulinarische Köstlichkeiten an den umliegenden Ständen der Music Hall verkauft, denen es an Auswahl keinesfalls fehlte. Alles in allem eine überaus gute Organisation, bei der langes Anstehen oder Drängeleien eher als Fremdworte angesehen werden können. Hier wurde gut geplant und delegiert, so daß man sich einen weiteren Konzertbesuch in dieser schönen Halle durchaus vorstellen kann.
Nach Öffnung der Türen, pünktlich um 18:00 Uhr, konnte man nach einer Zeit des Zurechtfindens die Ansage hören, sich bitte auf die gut ausgebuchten Plätze zu begeben, um den Opener willkommen zu heißen. Auf die Bühne trat ein junger, sehr talentierter Songwriter aus Nashville namens Charlie Worsham.
Der 31- jährige Künstler aus Jackson, Mississippi (Anm. d. Red. “mit solchen Wurzeln kann man nur gewinnen”), überzeugte das Publikum sofort mit seiner ersten Darbietung, dem Song „Could it be“. Doch nicht nur sein filigranes sowie perkussives Gitarrenspiel erreichte sofort die Begeisterung der Country Music- Fans – auch sein sehr charmantes und jugendliches Auftreten lies eine Welle des „Real American Feelings“ in die Menge „schwappen“ und ludt ein zum Mitsingen und -klatschen. Auch der niederländischen Sprache bediente er sich zeitweise, was die Besucher der Music Hall zum Schmunzeln brachte, denn seiner Aussprache bedarf es noch an ein klein wenig Übung, hatte er doch kurzum den Namen seines Songs „Lawn Chair don´t care“ in´s Holländische übersetzt. Es war Charlies zweiter Besuch in Europa, welcher ihn auch am 05. November nach Hamburg führen soll, was seine Fans in Deutschland sicherlich sehr freut. Denn dieser junge Musiker begeistert mit Authentizität, perfekt eingesetzter Stimme und hohem musikalischen Können, welches in seinem Wirkungskreis, Nashville Tennessee, sehr groß geschrieben und Voraussetzung einer langfristigen Musikerkarriere ist. An dieser gibt es nach dem Genuss seiner Darbietung keine Zweifel.
Eine kurze Pause wurde eingeläutet und die Spannung wurde noch greifbarer, denn endlich würde er die Bühne betreten – Kenny Rogers.
Die Lichter gingen aus, die Leinwand wechselte zu Bildern aus Kenny Rogers Lebenswerk, die Stimmung wurde feierlich und die ersten Töne waren zu hören. Jeder Fan des Altmeisters erkannte sofort den Eingangssong: “Ruby, don´t take your love to town”. Eine schlichte, hochprofessionell ausgewählte Band, die von Kenny im Laufe des Abends auch seine „Music Family“ genannt wurde, spielte die Einleitung und schon stand er auf der Bühne, etwas in die Jahre gekommen – doch mit 78 Jahren ist dies durchaus legitim – jedoch noch immer mit demselben Charisma und Humor, wie man ihn von jeher kennt. Sein Gang aufgrund einer just überstandenen Hüftoperation vorsichtig und mit einem bereitstehenden Stuhl unterstützt, frotzelte Kenny in seiner Begrüßung über die Nachlässigkeit seines Drogenkonsums im Hinblick auf den noch immer über die Bühne hechtenden Mick Jaegger (Rolling Stones) oder den nach wie vor frisch und agil wirkenden Willie Nelson, seinen guten Freund und Kollegen. Die Lacher hatte er, wie gewohnt, sofort auf seiner Seite. Gesanglich bekam er, unterstützt von der „Music Family“, viele bezaubernde und vielfältige Stimmen und Chöre geliefert. Er konnte somit ein letztes Mal einen Querschnitt durch die Musikgeschichte und ganz besonders seinen Werdegang als Musiker führen. Angefangen mit seinen ersten Stücken „She believes in me“, „Tell it all brother“ und „Love lifted me“ über „Lucille“ und „We don’t make love anymore“ bis hin zu „Coward of the County“, „The Gambler“ und „Islands in the stream“.
Wie bereits oben erwähnt, hatte er die beste weibliche Begleitung durch Linda Davis, die sich professionell und liebevoll in die Band und den Abend einfügte. Mit Witz und guter Unterhaltung passte Lindas und Kennys Kommunikation perfekt zusammen, und es wurden viele Anekdoten hervorgeholt, die den eingefleischten Country Music- Fan erfreuten und an alte Tage erinnerten. Ganz groß – die Hommage an Dottie West, eine sehr geschätzte frühere Gesangspartnerin Kennys. Mit den Songs „All I ever need is you „ und „Anyone who isn’t me tonight“ wurde an die bereits Anfang der 90er Jahre verstorbene Sängerin erinnert und deren gemeinsame musikalische Arbeit mit Kenny Rogers geehrt. Auch Songs, die er in der Vergangenheit gemeinsam mit Dolly Parton und Sheena Easton performt hatte, fanden heute Abend ihren Platz in der Songreihe seiner Geschichte.
Was den Abend ganz besonders reizvoll machte, waren neben Kennys wundervoller Band und seiner Gastmusikerin Linda, die sehr schön ausgearbeiteten Bildprojektionen auf der Bühnenleinwand. So konnte man neben alten Schallplattenfotografien und seinen früheren Bandformationen Bilder jeden Alters seiner Musikerlaufbahn anschauen und sogar Kinoausschnitte einiger Filme mit Kenny in den Hauptrollen nochmals genießen. Beispielsweise der bekannte Westernklassiker ‘The Coward of the County’ sowie der gleichnamige Film, dessen Titel ihm den Spitznamen ‘The Gambler’ einst verschafft hat. Natürlich untermalt mit den passenden Songs zum Film bzw. zum Bild. Es war ein sehr schönes Erlebnis, welches sicherlich keiner der Besucher missen möchte. Mit dem letzten Song, gemeinsam gesungen mit dem Publikum und der Vorstellung seiner Band, ging mit Kennys letztem Auftritt in Amsterdam auch ein Stück Musikgeschichte. Melancholie mischte sich mit Freude, nochmals einen der Künstler gesehen zu haben, die schon jetzt Legende sind und bereits zu Lebzeiten in die ‘Hall of Fame’ aufgenommen wurden. Kenny betonte lausbübisch und dennoch gentlemanlike, dass es ihm eine Ehre war, mit den schönsten und talentiertesten Frauen die Bühnen der Welt betreten zu haben. Das macht ihm sicherlich so schnell keiner nach.
Arm in Arm mit Linda verließ er, noch immer lächelnd und dennoch nun vom knapp zweistündigem Konzert etwas erschöpft wirkend, die Bühne der Heineken Music Hall, Amsterdam. Gefolgt vom frenetischen Applaus mindestens dreier Generationen, die gute Musik schätzen und „den alten, bezaubernden Mann” in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedeten, über den dieser im Laufe des Abends lächelnd verriet:
„Meine Frau und ich waren vor einigen Tagen einer Meinung, als wir feststellen durften: Bald darf ich morgens aufwachen, ohne auf die Arbeit gehen und sie zurücklassen zu müssen. Darauf freuen wir uns schon sehr.”
In diesem Sinne alles Gute, großer Kenny Rogers – und danke für Deine wunderschönen Songs!
Bericht: Emmi Lu / Fotos: Susi Krix