12. Bluegrass-Festival Birkenried 2021

Das jährliche Bluegrass-Festival, ausgerichtet von den Country- und Western-Friends Kötz 1982 e.V., zählt zu den Highlights, die man sich schon frühzeitig im Kalender eintragen sollte. Dabei läuft das Ganze eher familiär ab: keine große Konzerthalle, sondern das urgemütliche Kulturgewächshaus in Birkenried bei Günzburg ist Austragungsort dieses herrlichen Wochenendes und genau das macht den besonderen Charme aus.

Bis zu 140 Gäste können normalerweise teilnehmen, wegen der aktuellen Beschränkungen waren es heuer weniger. Aber nach der kompletten Absage 2020 war die Freude groß, am Wochenende 27. bis 29. August 2021 wieder dabei sein zu dürfen. Erneut sorgten die Veranstalter mit einem sehr geschickt ausgewählten Kontrast-Programm für Abwechslung. Keine Band ist wie die andere, vielmehr interpretieren die Künstler dieses Genre ganz unterschiedlich und nicht alles ist streng am Bluegrass verhaftet.

Los ging es am Freitag Abend mit einer Band aus dem Schwabenland, die schon vor fast 40 Jahren gegründet wurde: Helmut & The Hillbillies, das sind Helmut Limbeck (bekannt u.a. von der Cripple Creek Band), der spielt Fiddle und Mandoline, Jürgen Biller (Banjo), Bernd Müller (Bass) und Frontmann Norbert Dengler (Gitarre). Nach rund 20 Jahren Pause hat sich dieses Quartett nun wieder zusammengefunden und legt eine enorme Spielfreude mit virtuosen Soli an den Tag. Es erklingen viele Bluegrass-Klassiker von Bill Monroe, Jimmy Martin, Flatt & Scruggs und anderen berühmten Größen, aber durchaus auch mal ein Folksong, wie „The Last Thing On My Mind“ von Tom Paxton. Die Jungs verwendeten beim Auftritt in Birkenried Einzelmikrofone. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, Norbert Dengler reizt das Publikum mit seinen kauzigen Geschichten immer wieder zum Lachen. Zudem überträgt sich die Freude an der Musik schnell auf die Zuhörer. Kein Zweifel: diese Band wird in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten.

Die zweite Band des Abends wählte einen etwas anderen Ansatz und verwendete das für Bluegrass typische Zentralmikrofon: Aus Mailand kommen Blue Dust, fünf Herren in dunklen Anzügen mit hervorragendem Satzgesang, die ebenfalls Bluegrass wie aus dem Lehrbuch zelebrieren. Ein besonderer Leckerbissen ist „Fox On The Run“, bei dem die Titelzeile „Like A Fox“ gar vierstimmig erklingt. Blue Dust tut das, was viele Bluegrasser gerne tun: sie vergreifen sich an Musikstücken ganz anderer Richtungen: egal ob „Blue Suede Shoes“ (Carl Perkins), „Things“ (Nancy Sinatra) oder der italienische Klassiker „Di Mi Quando“. Wenn Sänger Perry Meroni mit Anzug und Stetson die Bühne betritt, fühlt man sich augenblicklich in die 50er Jahre versetzt; nicht nur äußerlich, auch die Stimme ist verblüffend. Mit virtuosen Soli auf Gitarre, Mandoline und Banjo begeisterte diese sympathische Band uns ein ums andere Mal und der Chorgesang ist hervorragend. Geschickt nutzen sie dabei die Dynamik im Umgang mit dem Zentralmikro. Zum krönenden Abschluss, wie könnte es anders sein: „O Sole Mio“ in der Version von Elvis Presley, da heißt es dann „It´s Now Or Never“, im Bluegrass-Sound versteht sich. Das Publikum tobte wie selten zuvor. Kein Wunder, dass man Blue Dust schon zum dritten Mal nach Birkenried eingeladen hat!

Am Samstag Nachmittag gab es im Bluebird-Café neben dem Gewächshaus eine offene Bühne bei Kaffee und Kuchen. Das erst kürzlich gegründete Duo John D. & the Rose, bei einigen Songs unterstützt von dem Solo-Performer Johnny Guitar gab ein paar starke und nicht oft gespielte Country-Juwelen zum Besten. U.A. hörten wir „Sunday Morning Coming Down“ von Johnny Cash. John D.´s Stimme ist wie gemacht für solche Songs.

Die Abendshow am Samstag, mit drei Bands, begann bereits um 18 Uhr. Zum Auftakt spielte eine Band aus dem Raum Mühldorf am Inn: Die New Backroads sind vier Herren in den besten Jahren, die sich aus Spaß an der Musik zusammengefunden haben. Es müssen nicht immer große Namen sein, auch eine solche Band aus Freizeitmusikern kann dem Publikum jede Mange Spaß bereiten. Das tun sie mit einer ganzen Reihe eigener Songs. Bandgründer Petro Schkarlat ist ein musikalischen Multitalent, hier spielt er vornehmlich die Mandoline. Seinen Mitstreiter Helmut Höll (Gitarre) stellt er gern als den ‚Mann aus Sonora’ vor, wegen dessen sonorer Stimme. Edi Hofmann spielt einen akustischen Bass und der im Allgäu geborene Luggi Mühlegger ist für das Five-String-Banjo zuständig. Es erklingen aber auch bekannte Country-Klassiker, etwa von Bobby Bare, Marty Robbins, Don Williams und sogar der „Cherokee Boogie“ von BR549. Lob verdient auch der mehrstimmige Gesang der Herren.

Es folgte ein weiterer mitreißender Auftritt unserer italienischen Freunde von Blue Dust, bei dem wir erneut die schönsten Songs und Instrumentals vom Freitag genießen durften, ergänzt mit dem Don Gibson-Hit „I Can´t Stop Loving You“. Den krönenden Schluss bildete diesmal „Marina, Marina, Marina“, ein 1959er Hit von Rocco Granata, im Bluegrass-Sound versteht sich.

Die Frankfurter Band Grey Eagle ist in ihrer jetzigen Besetzung noch jung, doch Bandgründer und Gitarrist ‚Ali’ Wittmer spielt Bluegrass und andere Stilrichtungen seit vielen Jahren zusammen mit Rüdiger Horne (Banjo, Dobro), der in Frankfurt ein Lokal besitzt, wo sich die fünf Herren zum Proben treffen. Dieter Zanger (Mandoline) kann derzeit leider nicht dabei sein, den Bass spielt der in den USA geborene James D. Spahr und George Baehr (Fiddle, Mandoline) kennen wir u.a. auch von den Grass Root Ties. Die Jungs nehmen den Zuhörer mit auf eine musikalische Reise, mit einer kurzweiligen Mischung aus Country-Hits, wie „Mama Tried“, Gospels wie „Come On Down“ und Bluegrass-Raritäten, die man nicht jeden Tag hört. Bemerkenswert ist auch ihr Fachwissen: Ali Wittmer kennt praktisch jeden bedeutenden Künstler der Bluegrass-Szene und dessen wichtigste Werke. Zu dem Titel „Angeline The Baker“ von Crooked Still übernimmt George Baehr den Bass, James spielt ein toll klingendes Clawhammer-Banjo und singt dazu mit heller klarer Stimme. Mit „Banjo Stampede“ präsentieren sie auch ein selbst geschriebenes, virtuoses Instrumental. Zum Schluss: ein starker Gospel, a capella vorgetragen, dreistimmig, was will man mehr! Keine der Bands an diesen zwei Abenden durfte ohne Zugabe gehen und das Publikum machte sich gegen Mitternacht höchst erfreut auf den Heimweg.

Am Sonntag ab 10:30 gab es dann den obligatorischen Gottesdienst, musikalisch umrahmt mit Gospel-Music von Grey Eagle und einen anschließenden Weißwurstfrühschoppen mit der gleichen Band.

Ab 14 Uhr stand noch eine Matinee der besonderen Art an: Petro, Edi und Luggi von den New Backroads spielen nämlich noch in einer anderen Band namens Waikiki Sundowners, die sich vornehmlich der Hawaii-Musik verschrieben hat. Petro spielt hier die klassische Hawaii-Gitarre und Luggi spielt Saxofon und Ukulele. Der musikalische Bogen dieser fünf Herren reicht allerdings noch weiter, über etwas Blues und Country-Oldies bis zum Western Swing des Texaners Bob Wills. Nicht fehlen dürfen hier solche Leckerbissen wie „San Antinio Rose“, Blue Hawaii“ und der „Steel Guitar Rag“.

Fazit: Wir verbrachten ein herrliches Wochenende in tollem Ambiente, ein Genuss für alle, die Bluegrass, aber auch allgemein handgemachte akustische Musik mögen. Vergessen wir auch nicht, die beiden Jungs zu loben, die für den hervorragenden Sound an allen drei Tagen verantwortlich waren. Unseren allergrößten Respekt vor Peter Wroblewski und seinem Team. Nächstes Jahr sind wir alle wieder dabei.