11. Internationales Bluegrass-Festival Birkenried

Viele Fans erinnern sich an die herrlichen Country-Festivals, die die Country und Western-Friends Kötz 1982 e.V. rund 30 Jahre lang organisiert haben.
Die gibt es leider nicht mehr, aber man stellt regelmäßig Veranstaltungen mit namhaften Künstlern im kleineren Rahmen auf die Beine.
Fester Termin im Kalender ist jedes Jahr das liebevoll organisierte Bluegrass-Festival Anfang September. Das geht über drei Tage und findet statt in dem idyllischen Kulturgewächshaus in Birkenried, wenige Kilometer von Günzburg entfernt.
Dieses Wochenende erfreut sich größter Beliebtheit und speziell der Samstag ist fast immer ausverkauft.

Am Freitag, den 06.09.2019 begrüßte der Vorsitzende Peter Wroblewski kurz nach 19 Uhr die schon zahlreich aus mehreren Ländern angereisten Gäste und stellte den Opener des Festivals vor: Die Dapper Dan Men sind keine Unbekannten in Birkenried.
Seit ihrem ersten Gastspiel dort haben sie sich haben sie sich mit zahllosen Auftritten in Deutschland, Frankreich und Österreich einen Namen gemacht, sind im Vorprogramm namhafter Bluegrass-Größen aufgetreten.
Mit den typischen Instrumenten Dobro, Banjo, Akustikgitarre, Waschbrett, Fiddle, Bass und Mandoline präsentiert diese Band einen Querschnitt aus Country, Bluegrass, Folk und vielem mehr. Songs wie „My Daddy Was A Moonshine Man“ erzählen vom Leben in den Apalachen, andere, wie „Sin Waggon“ kennt man von den Dixie Chicks. „Alone and Forsaken“ von Hank Williams versetzt einen in die Anfänge der Country Music wie wir sie heute kennen. Will man aus dieser illustren Formation jemanden besonders hervorheben, dann sicher den Banjospieler Hank Hambone, der für seine Soli immer wieder Szenenapplaus erhält. Eine geschickte Bluegrass-Interpretation eines alten Nancy Sinatra-Hits und der Film-Sountrack „My Rifle, My Pony And Me“ rundeten den abwechslungsreichen Auftritt ab.

Es folgte eine noch relativ neue Schweizer Band mit niederländischem Gitarristen: Jessie & The Gents haben 2017 ihre erste CD veröffentlicht und nach kurzer Zeit den Swiss Country Music Award erhalten. Jessie Hardegger, die hübsche dunkelhaarige Sängerin mit den großen Augen und dem immer freundlichen Lächeln, spielt Mandoline und verfügt über eine helle, glasklare Stimme, ideal für Interpretationen von Songs wie „Jolene“ oder „Travelling Soldier“. In Punkto Ausstrahlung steht ihr Rick Noorlander kaum nach, wenn er die männlichen Solo-Parts singt und Gitarre spielt. Putzi Mayr, der Gentleman mit dem schwarzen Hut zelebriert derweil herrliche Melodien auf der Dobro, aber nicht immer: gegen Ende des Auftritts greift er gern zum Akkordeon und dann ist Cajun-Time angesagt. Zu Klassikern wie „Lache Pas La Patate“ klatscht das Publikum begeistert mit und man könnte fast glauben, der längst verstorbene Jimmy C. Newman wäre wieder unter uns. Die Jessie und die Gents nehmen uns mit auf eine Reise zum Western Swing, zur Irish Folk Music und mit den Dixie Chicks („Long Time Gone“) schließlich wieder zurück zum Bluegrass und zu Musik von Alison Krauss. Kein Wunder, dass diese tolle Band inzwischen sogar nach Kanada eingeladen wurde.

Dass gegen Mitternacht alle zehn Musiker noch zu einer viel umjubelten Session zusammenkamen, auch das hat Tradition in Birkenried und macht den Akteuren ebenso viel Freude wie den Gästen.

Am Samstagnachmittag gibt es im Café nebenan immer eine Open Stage, bei der die Gäste bei freiem Eintritt zuhören können. Gespielt wird, was den Musikern, die sich da einfinden so einfällt. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen und da bleibt auch viel Zeit für interessante Gespräche.
Die Show am Samstagabend begann bereits um 17 Uhr, denn da stehen immer drei Bands auf dem Programm, die jeweils im Wechsel zwei Sets á einer Stunde spielen. Das Publikum darf sich also auf rund sechs Stunden Bluegrass freuen. Damit die Abwechslung gewährleistet bleibt, engagiert man hier immer drei Bands mit ganz unterschiedlichem Background.

Attila & Friends spielen zwar von der Basis her Bluegrass, haben aber viele andere Musikstile einfließen lassen. Das verwundert nicht, denn Attila Tapolczai, geboren in Budapest, hat sich nach musikalischen Reisen durch viele Länder in Augsburg niedergelassen, wo er die Basis für seine Arbeit und die passenden Bandkollegen fand. Aus Kulmbach, Norddeutschland, dem Allgäu, der Slowakei und Ungarn stammen diese jungen Leute und sie operieren behände mit Geige, Bratsche, Mandoline Akustikbass und Dobro, verarbeiten Musik aus Kentucky, Irland und der Welt. Sie erzählen in ihren Songs Geschichten aus dem Alltag, von fernen Ländern, manchmal klingt das melancholisch, dann wieder geht richtig die Post ab. Meist sind es Attila´s eigene Songs, die den Zuhörer in den Bann ziehen, aber Folk-Klassiker aus den USA, etwa das schöne „Paradise“ von John Prine oder „Star Of The County Down“, eine hundert Jahre alte Ballade aus Irland, müssen einfach sein. Verabschiedet hat sich die Band standesgemäß mit „Whiskey In The Jahr“ und „Ride On“, einer gefühlvollen Ballade von Christy Moore.

Das Kontrastprogramm war hervorragend gelungen, denn das Trio Interstate Express, das danach spielte, versetzte die Gäste zurück in eine Zeit, als es weder Country noch Bluegrass gab. Als American Roots Music bezeichnet man diese erdige, naturverbundene Folk Music gemeinhin. Schon die Bandbesetzung erstaunt: Ein Engländer, ein Australier und ein Amerikaner haben sich hier zusammengetan, um uns Volksmusik aus den Apalachen, Songs von Auswanderern, aber durchaus auch mal Musik, wie man sie zu Square Dance spielt, nahezubringen. Dazu ein paar Lieder von Woody Guthrie, in denen es um Bürgerrechte und Gewerkschaftler geht, und Bluegrass-Klassiker von Uncle Dave Macon, langweilig wird das keinen Moment. Gitarre, Banjo, Fiddle, zwei starke Stimmen, mehr braucht man dazu nicht, dennoch kommt bisweilen eine Mundharmonika dazu und der Engländer Joe Buirsky lockert das Ganze gern mit ein paar Tanzeinlagen auf. Auch diese drei sympathischen Jungs erhielten viel Beifall.

Was folgte, war zweifellos das Highlight des Festivals, in diesem Punkt waren sich alle einig. Im Jahre 1978 gründete Silvio Ferretti (Banjo, Gesang) in Genua die Bluegrass-Band Red Wine. Martino Coppo (Gesang, Mandoline) ist ebenfalls langjähriges Mitglied, die beiden anderen sind bedeutend jünger: Silvio´s Sohn Marco Ferretti zählt auf der Akustikgitarre vermutlich zu den besten Virtuosen in Europa und Bassist Lucas Bellotti ist ein Allrounder, der alle denkbaren Musikstile beherrscht. 2018 feierte die Band ihr 40. Jubiläum und war aus diesem Anlass mit dem amerikanischen Bluegrass-Sänger Peter Rowan auf Europatournee. Man kennt sich untereinander in der Szene. So verwundert es nicht, dass die Herren u.a. einen Song namens „Bottomlands“ aus der Feder von Will Maring (aus ihrer CD An Ocean From Home) spielten. Will Maring wohnt in Illinois, hat aber rund 10 Jahre in München gelebt und bei der Band Shady Mix gesungen. Red Wine spielen klassischen Bluegrass auf qualitativ höchstem Niveau, ihr mehrstimmiger Gesang klingt toll und die Instrumentensoli sorgen ein ums andere Mal für Beifall. Man spielt dankenswerterweise nicht die hinlänglich bekannten Klassiker von Bill Monroe & Co. sondern viele eigene Titel und auf Bluegrass umgeschriebene Folk-Songs, wie „American Girl“ von Tom Petty oder „Fiddle And Bow“ aus Irland. Dazu gibt´s ein wenig Country und Western Swing. Vorgestellt wurde auch die neue CD „Carolina Red“, die man in den Studios von Jens Krüger in Wilkesboro, North Carolina produziert hat und die von Kritikern in den höchsten Tönen gelobt wird. Genua ist, so erzählt Martino Coppo mit einem Augenzwinkern, für drei Dinge bekannt: Für die Band Red Wine, für sein gutes Pesto und für den berühmtesten Sohn der Stadt, Cristoforo Colombo, der ja bekanntlich Amerika entdeckt hat und ohne den wir uns hier nie zu einem Festival dieser herrlichen Bluegrass-Musik versammeln würden. Deswegen würdigen ihn die vier Herren auch mit einem eigenen Song unter dem lässigen Titel „Home Town Boy“.

Auch am Ende des Samstages kamen elf der dreizehn Musiker nochmal zu einer Session zusammen und die dürfte an Begeisterung alles in den Schatten gestellt haben. Auf Klassiker wie „Cherokee Shuffle“, „Long Journey Home“ oder „Soldier´s Joy“ einigte man sich hier und es hat schon etwas Faszinierendes, wenn da z.B. links auf der Bühne ein Engländer, ein Italiener und ein Slowake um ein Mikrofon herum stehen und freudestrahlend ihre drei Banjos spielen. Dramatisch war am Ende auch der Beifall. Überhaupt muss man das Birkenrieder Publikum loben: alle sind voll bei der Sache und quittieren jedes gelungene Instrumentensolo mit spontanem Beifall. Nach jedem Auftritt gibt es so lange tosenden Applaus, bis eine oder mehrere Zugaben gespielt werden.

Die Gäste, die am Sonntag noch da sind, erwartet morgens ein Gottesdienst, der findet bei schönem Wetter unter freiem Himmel, vor der nahegelegen Waldkapelle, statt, ansonsten im Gewächshaus. Auch hier gab es diesmal eine tolle musikalische Untermalung, denn die Herren von Red Wine sangen ein paar Gospels, zum Teil auch a-capella vorgetragen. Sogar der Herr Pfarrer war tief beeindruckt. Nach einem Weißwurstfrühstück spielten Red Wine noch eine Stunde zur Matinee, ehe sie sich wieder auf den Weg nach Genua machten. Wer Zeit hatte, konnte am Nachmittag noch die Musik von Strictly Bluegrass genießen, einer Band aus München, die seit vielen Jahren zu des festen Größen der Szene zählt.

Den Country- und Western Friends Kötz gebührt unser Respekt für diese mit viel Enthusiasmus aufgezogene Veranstaltung.
Das erste September-Wochenende 2020 haben wir uns im Kalender schon mal freigehalten.