Country, Ragtime und Blues in Kammerstein

Ein Mann, eine Gitarre und eine Mundharmonika, soetwas gefällt auch dem Country-Fan, weil es ehrliche, handgemachte Musik ist.
Vom „Atelier und Kunstraum“ im mittelfränkischen Kammerstein (nahe Schwabach) werden seit kurzem wieder Live-Konzerte verschiedenster Stilrichtungen veranstaltet.

Am 11.05.2022 präsentierte uns Veranstalterin Uschi Heubeck einen echten musikalischen Leckerbissen:

Ignaz Netzer, aus Hohenlohe-Franken stammend, zählt zurecht zu den besten Musikern im Lande, wenn es um Folk, Blues, Ragtime & Co. geht. Er ist spezialisiert auf akustischen Country-Blues, so wie er in den 20er Jahren am Mississippi entstanden ist. Ignaz benutz dazu drei Gitarren: eine sechssaitige akustische Gibson, eine Martin D35 und dann kann er noch ein besonderes Einzelstück sein Eigen nennen: Eine International Steel, Baujahr 1933 mit Metallkorpus und Resonatoren. Dieses herrliche Instrument war Jahrzehnte lang im Besitz einer Dame, die damit in Kalifornien Hawaii-Musik gemacht hat. Auf der Rückseite sind daher Palmen eingraviert.

Das Besondere an diesem Abend: er fand in ganz kleinem Rahmen im Kunstatelier statt und der Künstler spielte komplett ohne Verstärker und Mikrofon. Ignaz Netzer interpretiert dabei nicht nur Werke der alten Blues-Meister von vor hundert Jahren, er hat auch zahlreiche eigene, sehr gelungene Songs geschrieben.
Doch jenen Klassikern, die er gern einfließen lässt, drückt er mit seiner ausgefeilten Spieltechnik und seiner ausdrucksstarken Stimme seinen ganz eigenen Stempel auf.

Ein Beispiel: „Corinna, Corinna“ von Ray Peterson aus dem Jahr 1960. Gleiches gilt für „Summertime And The Living Is Easy“ oder „Stagger Lee“.
Letzterer stammt von Mississippi John Hurt, wurde aber auch schon von mehreren Country-Künstlern aufgenommen. Überhaupt durften sich die Countryfans freuen über eine gelungene Interpretation von Kris Kristoffersen´s Welthit „Me And Bobby McGee“.
„You Got To Move“ war mal ein frühes Werk der Rolling Stones, stammt aber ebenfalls aus den Zwanzigern. Von Ignaz erlebten wir hiervon eine total abgefahrene Version mit ganz virtuoser Bottleneck-Technik auf der International Steel. Ein Gospel muss natürlich auch sein: „Jesus On The Mainline“, hier durfte das Publikum schon kräftig mitsingen. Von diesem Gospel haben die langjährigen Countryfans sicher noch die weltstarke Version der Boss Band aus den 1980er Jahren im Ohr.

Gelernt haben wir auch einiges an diesem Abend: über Bessie Smith, eine der bedeutendsten Blues-Sängerinnen oder über Blind Blake, der die Fingerpicking-Technik maßgeblich entwickelt hat. Mit dieser Technik, bei der der Daumen den Bass und die übrigen Finger die Melodien spielen, klingt eine Gitarre fast wie ein ganzes Orchester. Die Darbietung wurde jedenfalls keinen Moment langweilig. Das Publikum danke es mit lang anhaltendem Beifall.