19. Internationales Bühler Bluegrass-Festival

Am Wochenende 5. und 6. Mai 2023 fand schon zum 19. Mal das beliebte Bluegrass-Festival in Bühl, ca. 50 km südlich von Karlsruhe gelegen, statt. Aus der Vergangenheit weiß man, dass hier stets hochkarätige Bands aus mehreren europäischen Ländern und auch aus den USA eingeladen werden.

Der Freitagabend stand unter dem Motto „Bluegrass unter Hebebühnen“ und fand in der Werkstatthalle des Landmaschinenhändlers Oechsle statt. Die Idee ist gut und sie hat bereits Tradition in Bühl, simuliert man damit doch die Atmosphäre eines Barn Dance Abends, wie er früher in den USA oft abgehalten wurde. Da räumte ein Farmer am Wochenende seine Scheune aus und da wurde dann gefeiert, musiziert und getanzt bis zum Abwinken.

Um 20 Uhr begrüßte Veranstalter Patrick Fuchs die bereits zahlreich angereisten Gäste und stellte die erste Band vor. Johnny & The Yooahoos kommen aus dem Raum Mühldorf am Inn. Schon beim Festival in Birkenried 2022 hatten diese „jungen wilden“ für Furore gesorgt und diesmal wirkte ihr Auftritt noch stärker. Es ist die neue, herzerfrischende Art, wie sie Bluegrass, mit nur einem Zentral-Mikro interpretieren. Da sind starke eigene Titel, aber auch Klassiker z.B. von den Stanley Brothers, nur dass man die fast nicht mehr wieder erkennt. Der dreistimmige Gesang ist nicht so brav wie bei anderen Bands, da ertönen wahre Tenor-Stimmen, dass die Wände wackeln. Es gibt Gospel, A-Capella-Gesang und virtuose Soli auf Gitarre, Mandoline und Banjo. Sie können aber auch mal langsam und gefühlvoll, je nach Stimmung. Diese vier Jungs haben wahrlich Bluegrass im Blut.

Die zweite Band des Abends kam aus den Niederlanden und ist in der Szene keine Unbekannte: The Bluegrass Boogie Men haben sich der traditionellen Musik verschrieben, interpretieren diese aber auf ihre eigene, ganz originelle Art. Auch hier wechseln gekonnte Soli mit zwei- und dreistimmigem Gesang. Da erklingt American Roots Music, gefolgt von Klassikern von Hank Williams, Flatt & Scruggs oder Jimmy C. Newman. Und sogar der „Orange Blossom Special“, mit Fiddle und Harmonika vorgetragen, kommt hier mal wieder zu Ehren. Man spürt vom ersten Titel an, dass sie ihre Musik aus Spaß machen. Dieser Spaß überträgt sich auch sogleich auf das Publikum. Man blickt in lauter fröhliche Gesichter.

Zum krönenden Abschluss des Freitags holte man Johnny & The Yooahoos nochmal mit auf die Bühne zu einem gemeinsamen Gospel-Finale. Da erklangen dann „I Saw The Light“ und „Will The Circle Be Unbroken“ und der langjährige Fan fühlte sich zurück versetzt zu jenen großartigen Sessions, die die Nitty Gritty Dirt Band seinerzeit initiiert hat. Der Beifall der Gäste für beide Bands war enorm.

 

Am Samstag gab es dann in der Fußgängerzone ein Nachmittagsprogramm auf einer Open Air-Bühne. Die Söllingen Swingers aus der Bühler Gegend zeigten Square Dance vom Feinsten und ihr Caller erklärte dem Publikum viel Wissenswertes über diese traditionelle Art des Tanzens.

Es folgte der Auftritt einer Freiburger Band mit dem Namen Blue Side Of Town. Die zelebriert Bluegrass wie aus dem Lehrbuch, nicht so wild und nicht so originell wie die Bands am Freitag Abend, aber exzellent vorgetragen und mit vielen Klassikern, die die Fans so gerne mögen.

Auch Line Dance gab es zu bestaunen, von der Bühler Tanzschule Fromme. Die anwesenden Line Dancer stellten erfreut fest, dass sie die meisten Tänze kannten. Auch Kinder und Jugendliche werden da unterrichtet und zeigten Kostproben des gelernten. Dann war es Zeit, zu verschnaufen und sich zu stärken (auch dafür ist in Bühl natürlich gesorgt), denn es stand ein umfangreiches Abendprogramm bevor.

Schon um 17 Uhr ging es los im Saal des Bürgerhauses Neuer Markt und dieser Saal ist mit seiner guten Bestuhlung, Akustik und Atmosphäre bestens geeignet für einen gelungenen Konzertabend. Vier Bands stellte uns Patrick Fuchs freudestrahlend vor und auch hier hatte man ein tolles Kontrastprogramm zusammengestellt.

Den Anfang machte charmanter Bluegrass-Folk aus dem Südwesten Frankreichs. Boom Ditty sind eine sechsköpfige Band, die mit zwei Gitarren, Kontrabass, Mandoline, Banjo und Dobro eine enorme Klangfülle erzeugt. Das meiste sind eigene Titel, die man hier auf englisch vortrug. Einer, der die Band schon auf Festivals in Frankreich erlebt hatte, sagte uns, dass Boom Ditty sich dort noch besser präsentiert, weil sie in ihrem Element sind, wenn sie in ihrer eigenen Sprache singen können. Überhaupt war es erst das 2. Mal, dass die Band außerhalb Frankreichs gespielt hat, erklärte die hübsche Janine Terhoff (Mandoline, Gesang), die einzige Deutsche in der Band. Und doch machte der Auftritt viel Freude und das fachkundige Publikum dankte mit reichlich Applaus.

Nach einer kurzen Pause waren unser Freunde aus dem Norden der Niederlande an der Reihe. Cousin Hatfield nennt sich dieses Quartett, das als Studentenband angefangen hat und, je nach Laune, auch einen ganzen Abend lang Country spielen kann. Entsprechend verpackten die vier auch etliche Country-Oldies, z.B. von Merle Haggard, Patsy Cline oder sogar Südstaaten-Rock von Lynnyrd Skynnyrd in ihrem abwechslungsreichen Programm. Doch alles erklang ganz klar im Bluegrass-Sound. Ein eigener Titel namens „Las Vegas“ hat absolutes Hit-Potential, geht er doch sofort ins Ohr und in die Beine. Ein Highlight von Cousain Hatfield ist der starke Gesang von Nathalie Schaap am Kontrabass. Ein bisschen mehr Banjo-Soli hätten wir uns noch gewünscht und Gitarrist Martin Schimmel, der auch ein sehr guter Sänger ist, hätte ruhig noch ein paar Songs mehr beitragen können. Ansonsten: eine klasse Band!

Nach einer längeren Pause folgte die erste von zwei amerikanischen Bands. Fog Holler kommen aus Portland, Oregon und warten mit einem tollen Retro-Outfit auf. Ihre Musik klingt, als käme sie geradewegs aus den 40er und 50er Jahren und dennoch sind es zumeist eigene, neue Titel. Tradition trifft hier auf Innovation! Zweistimmiger Gesang von Casey Holmberg und Tommy Scholz wechselt mit virtuosen Banjo-Soli. Der angestammte Fiddler James Rossi konnte leider nicht auf die Tournee mitkommen, doch mit der jungen Lilian Sawyer fand mal eine würdige Vertretung. Musiker im Publikum lobten ihre ungewöhnlich exakte Art zu spielen. Auch Noah Laniakea am Kontrabass, der die meisten der Songs schreibt, erhielt viel Lob. Gelegentlich erklingt auch bei dieser fröhlichen Band auch mal ein Klassiker von Bill Monroe oder Jimmy Martin. Vor allem aber war das eine tolle Show, die Fog Holler da präsentierten.

Krönender Abschluss, und da hatte man uns nicht zuviel versprochen, waren die aus dem Osten der USA stammenden Level Best. Der Name ist Programm: Alles hier ist vom Feinsten! Fünf Bluegrass-Profis mit langjähriger Erfahrung präsentierten und die Musik, die wir so lieben, in Reinkultur. Das begann mit einer Bluegrass-Version des Country-Klassikers „Ridin´ My Thumb To Mexico” und führte über Musik von Jimmy Rodgers zu etlichen Bluegrass-Klassikern, aber auch Eigenkompositionen. Gekonnt operieren sie mit nur einem Zentral-Mikro und arbeiten geschickt mit der Dynamik. James Field (Gitarre) spricht sogar ganz gut deutsch, er traut sich nur nicht! Am Banjo erlebten wir mit Ed Lick eine der Legenden der Szene. Mandoline spielt Liza Kay Howard-Hughes, Fiddle und Dobro spielte ihr Ehemann Wally Hughes und am Bass, bescheiden im Hintergrund, finden wir Mary Burdette. Die fünf machen nur aus einem Grund zusammen Musik: weil es ihnen Freude macht. Entsprechend haben sie sich ein traumhaft schönes Programm zusammengestellt, bei dem der Zuhörer bisweilen feuchte Augen bekommt. Der Song „So Happy Together“ von den Turtles, einer Beatband aus den 60ern, bringt das auf den Punkt. Das Publikum applaudierte stehend.

Kann man das noch toppen? Klar doch, mit einem Finale, bei dem alle 19 Musiker noch mal zusammen in die Saiten hauten, als gäbe es kein Morgen. Der Klassiker „Good Old Mountain Dew“ passt da perfekt. Niemanden im Saal hielt es da noch auf seinem Sitz.

Fazit; die Reise nach Bühl hat sich mehr als gelohnt. Weiter so Patrick Fuchs und sein Team! Die Fans, die teils von weit her angereist waren, freuen sich schon auf das 20. im nächsten Jahr. Loben wollen wir auch die Stadt Bühl für die Unterstützung und ganz besonders Matthias, den jungen Mann am Mischpult, der perfekte Arbeit leistete. Herzlichen Dank auch an Herbert Schildhammer von den Illertal Cowoys, der uns am Samstagabend im letzten Moment zwei Plätze organisiert hat, von denen aus tolle Fotos möglich waren.