Bluegrass Jamboree 2019 in der Kulturfabrik Roth

„Wer Bluegrass verpasst, ist selbst schuld“, schrieben einst die Badischen Neue Nachrichten.
Bereits zum 11. Mal ging heuer eine Veranstaltung auf Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, auf die sich die Bluegrass-Fans das ganze Jahr über freuen.

Man kann den Veranstalter Rainer Zellner aus Tübingen nicht genügend würdigen. Er tut mehr für die Verbreitung der Bluegrass Music als irgendwer sonst in Mitteleuropa. In akribischer Arbeit recherchiert er die interessantesten und talentiertesten Künstler diese Genres in den USA und in Kanada und holt jedes Jahr drei solche Formationen nach Europa. Die sind immer so gewählt, dass sie einen guten Kontrast zueinander bilden. Rund vier Wochen ist dieser Tross von ca. 12 Musikern dann mit dem Bus unterwegs. Interessant ist dabei auch, dass sich die Mitglieder dieser drei Bands vorher nicht kannten, auf der Tour aber teils langanhaltende Freundschaften geknüpft werden.

Am 08.12.2019 gastierte die Bluegrass Jamboree in der Kulturfabrik im mittelfränkischen Roth.

Den Auftakt machte heuer ein interessantes Duo namens Hoot and Holler: Amy Alvey stammt aus Orange County, Kalifornien und Mark Kilianski aus New Jersey. Kennengelernt haben sich beide auf dem Berklee College of Music in Boston, wo man alle denkbaren Musikrichtrungen, auch Bluegrass studieren kann. Beide leben jetzt in North Carolina, dort wo die Musik zuhause ist, die sie spielen. Das ist nämlich jene Art von Volksmusik, aus der Bluegrass einst hervorging, Hausmusik, wie die Familien auf dem Land sie gemacht haben. Mit Banjo, Akustikgitarre und Fiddle, bisweilen auch mit zwei Gitarren spielen sie alte Traditionals dieser American Roots Music, aber auch eigene Songs mit durchaus hochaktuellen Texten. Zuhause sind die beiden freilich selten, denn sie touren mit einem Van die meiste Zeit durch die USA.

Das Open Back-Banjo, das Mark spielt, hat er mit einem Freund selbst gebaut. Wer da glaubt, dieser mehr als hundert Jahre alte Musikstil wäre etwas angestaubt, irrt sich: Hoot and Holler polieren die Songs geschickt auf und präsentieren sie mit starkem Gesang und so viel Spielfreude, dass das Publikum schon richtig begeistert war.

Zweiter Act waren die Price Sisters aus Ohio. Dass eine traditionelle Bluegrass-Band von zwei Frauen geleitet wird, das hat Seltenheitswert. Leanna spielt Geige und ihre Zwillingsschwester Lauren Mandoline. Zusammen beherrschen sie einen zweistimmigen Gesang, so traumhaft schön, wie ihn wohl nur Geschwister zustande kriegen, die ihr Leben lang miteinander gesungen haben. Traditionelle Bluegrass-Stücke dominieren hier und dennoch wirkt diese Musik kein bisschen konservativ, sondern deutlich peppiger als die der alten Meister. Dazu tragen auch die drei männlichen Bandkollegen bei: Matthew Parsons (Gitarre) und Andrew Brown (ein Linkshänder am Kontrabass!) erweisen sich auch als tolle Solisten auf den Instrumenten und starke Solo-Sänger. Der Knaller freilich ist der erst 21 Jahre junge Lincoln Hensley, der eigentlich aussieht wie ein Konfirmand. Noch nie haben wir einen so jungen Banjo-Spieler erlebt, der dieses Instrument bereits so brillant beherrscht. Seit sieben Jahren übt dieses Naturtalent nun und wenn er konsequent so weiterarbeitet, dürfte er bald auf einer Ebene mit Legenden wie Earl Scruggs oder Douglas Dillard stehen. Nach diesem Auftritt hat das Publikum in der ausverkauften Kulturfabrik bereits getobt.

Nach einer Pause, in der die Künstler in Foyer freundlich und geduldig Autogramme schrieben und zu einem Schwätzchen zur Verfügung standen, folgte die dritte Band: Chicken Wire Empire aus Wisconsin sind offenkundig angetreten, Bluegrass zu modernisieren. So wie es einst schon Bands wie Newgrass-Revival taten. Schon optisch wirken sie gar nicht wie Bluegrass-Musiker. „Jamgrass“ nennt man diesen Stil auch und da fließen deutlich mehr jazzige Noten ein, bisweilen sogar etwas Blues- und Rock-Elemente. Ein relativ langsames Stück wirkte gar etwas mystisch und klang ein wenig nach Klassik. Dazu zogen bei düsterem Licht Nebelschwaden über die Bühne. Auch der Geist von Grateful Dead (Jerry Garcia war ja im Herzen ein Bluegrass-Fan) war da deutlich zu spüren. Doch nicht für lange, dann machten sie deutlich, dass sie ihren Bill Monroe studiert haben. Ryan Ogburn (Mandoline), Jordan Kroeger (Bass), Jon Peik (Banjo), Greg Brundage (Gitarre) und Ernest Brusubardin IV. (Fiddle), alle fünf sind sie erstklassige Solisten, zelebrieren virtuose Soli und entwickeln dabei einen ganz eigenen, unverkennbaren Stil, dem sogar die Traditionalisten unter den Fans Respekt zollen müssen. Vor allem Jordan Kroeger erweist sich dabei als starker Solo-Sänger.

Keine der Bands spielt eine Zugabe, auch wenn die Zuschauer dies fordern.
Rainer Zellner hat sich nämlich etwas noch Besseres ausgedacht: Am Ende des Abends gibt es stets eine Session aller beteiligten Künstler, bei der Rainer selbst zur Mandoline greift. Wenn dann dreizehn Musiker auf der Bühne stehen und in die Saiten hauen, als gäbe es kein Morgen, weiß man kaum noch, wohin man zuerst gucken soll. Dann erklingen Klassiker wie „Keep On The Sunny Side“, bei denen auch die Gäste mitsingen können. Der Beifall war so vehement, dass noch zwei Zugaben hermussten.

Da freuen wir uns doch jetzt schon auf die Tournee 2020…